0941 / 597-2530 | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. | Obermünsterplatz 7 - 93047 Regensburg

Ausstellung mit Rauminstallationen im ehemaligen Kloster St. Klara vom 12. Juni bis 12. Juli 2015

Flucht1Der Oratoriumsbau des ehemaligen Klosters St. Klara wurde vor dem Umbau zur integrativen Wohnstätte ein letztes Mal zum Kunstort. In der Ausstellung "Ich bin da." setzten 13 Künstlerinnen und Künstler mit Rauminstallationen Zeichen und eröffneten zeitgenössische Perspektiven auf das aktuelle Thema Flucht, Vertreibung und Migration. Mit Fotografie, Video, Skulpturen, Klang und Objekten stellten sie Fragen, assoziativ und herausfordernd. In St. Klara fand sich keine Kunst, die einfach nur gefallen wollte. Sie war faszinierend und erkundigend, ohne Statements oder einfache Antworten zu geben. Die Ausstellung stand im Mittelpunkt eines Projektmonats zum Thema mit Konzerten, Lesungen, Vortrag und Filmmatineen, in dem auch die Brücke zum Gedenken an 70 Jahre nach der Vertreibung im 2. Weltkrieg geschlagen wurde.

"Eine eindrückliche und aufrüttelnde Konfrontation mit dem Leben und Hoffen derer, die in Deutschland ein besseres Leben erwarten." - "Beeindruckend, bedrückend, bedeutend!" - "Gelungene Ausstellung, nein viel zu wenig, großartig, großartig! Die Konfrontation mit dem Thema schmerzt und berührt körperlich. Beeindruckend, wie die beteiligten Künstler die Flucht aufarbeiten." - "Künstlerische Perspektiven, die berühren! Eine sehr wertvolle Ausstellung, die zum Nachdenken anregt." - "Sehr beeindruckend. Schönheit bei aller Schwere." (Aus dem Gästebuch)

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: "Ich bin da. Künstlerische Perspektiven zum Thema Flucht", Hrsg. Katholische Jugendfürsorge in der Diözese Regensburg e. V., ISBN 978-3-9814464-8-7.


Sybille Loew EinwanderungSybille Loew aus München berührte mit zwei Arbeiten. „Einwanderung“ nennt sie die Installation mit 61 auf Leinwandnessel gestickten Porträts von Migranten, die auf dem Dachboden gezeigt wurde. Auf Augenhöhe montiert begegnete der Besucher den ausdrucksstark dargestellten Menschen von Angesicht zu Angesicht. Die Vorderseite der Leinwände zeigt das Gesicht eines Menschen, mit schwarzem Faden skizzenhaft gestickt. Beim Sticken entstehen immer zwei Seiten. So zeigen die Rückseiten die Porträtierten auf verwandelte Weise. Die roten Fadenlinien auf der Stirn, die auf der Vorderseite wie willkürlich entstanden wirken, sind gestickte Texte: der individuelle Grund der Einwanderung. Durch den erlittenen Verlust entstanden Narben, Entstellungen, die im Gesicht, dem Spiegel der Seele eines Menschen, lesbar bleiben. Sybille Loew sieht die Menschen in der Vielfältigkeit ihrer Schicksale genau an und widmet ihnen Zeit, indem sie stickt: Gesichter, Namen, Schicksale.
Sybille Loew TreibgutIm Keller zeigte die Künstlerin erstmals die Installation „Treibgut“. 365 auf Stofffetzen gestickte Anker leuchteten im Schwarzlicht auf: Sie konnetn keinen Grund fassen und strahlten dennoch als Zeichen der Hoffnung. Flüchtlinge sind auf der Suche nach einem menschenwürdigeren Leben. Die Kleidung ist oft der einzige Besitz, den sie noch haben. Und die Hoffnung das einzige Gut, das sie in sich tragen. Menschen werden an die Küsten gespült, wie Treibgut. Sie ertrinken vor der Festung Europa.

Peter Engel aus Regensburg kommunizierte im Keller durch Morsezeichen, mit denen er das Wort „Humanität“ sendete. Putz brach ab, Risse zeigten sich, verschlissene Versorgungsrohre und alte Leitungen waren sichtbar. Aus einer möglichen Kellerfensternische schien ein unregelmäßig rhythmisiertes Lichtsignal. Kurze und lange Impulse. Im Morse–Code wurde ein Wort übermittelt. Das Morse-Alphabet ist im Zeitalter der digitalen Nachrichtenübertragung ein historisches Relikt der Mitteilungsmöglichkeit - und als Errungenschaft des vorletzten Jahrhunderts antiquiert. Man sendet eine Botschaft mittels Licht. Es ist eine fremde Sprache. Eine stille Sprache. Und es ist es eine Metapher auf unsere Sprachlosigkeit angesichts der großen Flüchtlingstragödien dieser Tage.

Im ehemaligen Refektorium berührte Eduard Winklhofer aus Düsseldorf mit einer Installation aus 39 Koffern und stilisierten Molotowcocktails die Wunde von Emigration und Revolte. Mit einer Bauminstallation griff er sprechend das Thema der Entwurzelung auf. Ein Baum als Ganzes mit fast kahlen Ästen und Wurzelwerk - scheinbar Unmögliches wurde möglich. Außen ist Innen. Stacheldraht befestigte Schuhe an der Wurzel, wie auch kaum sichtbar die Äste am Baum. Entwurzelung. Trotzdem blieb das Staunen. Die Überwindung der Schwerkraft - der poetische Sprung in die Freiheit. Die Gravitation wurde überwunden und doch ermöglichte ihre Bindung erst das Schweben. Daneben beherbergte ein geöffneter Schrank im Inneren Radios und Schuhe. Die Sender erzeugten eine unverständliche Geräuschkulisse. Rechts unten stand ein Paar schwarzer Schuhe, mit Glasscherben aufgefüllt. Vor der Schwärze des Schrankes. Tiefstes Schwarz, durch Feuer geschaffen.

Arnold und Eichler KreuzwegstationDas Atelier Arnold und Eichler aus Nürnberg setzte mit zwei aus Pressefotos gestalteten Kreuzwegstationen das Leid der Flüchtlinge ausdrucksstark ins Bild. Die beiden in einer gemeinsamen Installation gezeigten Bilder sind die Stationen V und XIII eines Passionsweges, der für die Kirche Herz Jesu in Uffenheim entwickelt wurde. Die ausgewählten Motive stellten historisch, geographisch und inhaltlich zwei Pole dar. Die V. Station (Simon von Cyrene hilft Jesus das Kreuz tragen) zeigt einen spanischen Soldaten, der am Strand von Tarifa einen erschöpften illegalen Immigranten mit seinem Körper wärmt. Die XIII. Station (Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt) hält den schrecklich-intimen Moment fest: eine über der Leiche ihres Kindes trauernde Armenierin.

Raoul Kaufer DetailDer Regensburger Künstler Raoul Kaufer thematisierte in seiner abstrakten Rauminstallation „Hochgebirge“ mit sechs Aluleitern, sechs Kunststoffwannen und 400 Litern Wasser die Verlorenheit der Ankommenden im Blättermeer der Gesetzestexte. Die Leiter als Symbol für die Verbindung von Himmel und Erde, für den Übergang in eine andere Welt, in eine höhere Sphäre, als Zeichen des Aufstiegs und der Entwicklung, stand stellvertretend für die Hoffnung der Flüchtlinge auf ein besseres Leben. Die Bottiche waren mit Wasser gefüllt, schienen Leck geschlagen zu haben. Wasser als Quell des Lebens wird im Kontext der Flucht Spiegelbild der Zerstörung und des Todes. Die Hoffnung begegnet der Naturgewalt, der zerstörerischen Kraft des Meeres. Die Leiter wirkte hier wie ein Rettungsweg, der aus der Gefahr führt, aber nicht jeden retten wird. Durch ihre Spiegelung in der Wasseroberfläche erhielten die Leitern eine bedrohliche Doppelrolle. Sie führten nicht nur nach oben, sondern auch hinab in die Tiefe. Der Parcours lenkte zu der Genfer Flüchtlingskonvention, zu EU-Richtlinien, Verwaltungsvorschriften und Gesetzen. Repräsentativ standen diese Texte für eine auf Normen ruhende Gesellschaft, deren humanistische Ideale in Bürokratie und im Vorschriftenwust unterzugehen drohen.

Langhammer InstallationDer Bildhauer Helmut Langhammer aus Pressath, dessen Biografie ebenfalls mit der Vertreibung beginnt, lenkte mit einer eindrucksvollen Installation im Garten den Blick auf den Neubeginn im erzwungen Verborgenen. In einem aufgebrochenen Granitblock lag ein Fußabdruck, im Stein verwachsen, wie ein Fossil, Zeugnis vergangenen Lebens, über einem schmalen Gang, der ins Verborgene führte. In schweren Gewandfalten breitete sich ein bleiernes Tuch über die Mulchfläche, gerissen, gekerbt. Der lastende Schutzmantel verbarg, was im Untergrund geschieht. Gleich einem erstarrten Bachlauf hielt die Zeit inne. Das Verletzliche wurde beschirmend zugedeckt für einen Moment des Atemholens. Aus der unter zerfallender Erde versteckten Tiefe wand sich eine Spur in den Hofraum. Die Spur irrte richtungslos durch die Landschaft, tauchte unter, wagte sich selten ans Licht. Seines geografischen Lebensraums und sozialen Status beraubt, wird der Flüchtling zum Unsichtbaren, der sich und seinen Hoffnungen oft nur im Untergrund den Weg bahnen kann, der um Sichtbarkeit und Anerkennung jenseits gesellschaftlicher Zuschreibungen ringt.

Ilona LovasDie Doppelkanal-Videoinstallation „Anima nostra“ von Ilona Lovas zeigte zwei parallel laufende Geschichten: Im 19. Jahrhundert wurde in der alten keltischen Stadt Bibracte in Frankreich eine gewaltige Siedlung aus dem ersten Jahrhundert vor Christus ausgegraben. Zwei ungarische Freunde arbeiten in den 1980er-Jahren zeitgleich auf dem Ausgrabungsgelände. Die Budapester Künstlerin begab sich auf die Suche nach der Geschichte dieser beiden Männer. Sie schuf eine poetische Erinnerung an vergangene Siedlungen und Menschen, von denen sie Abschied nehmen musste.

Notburga Karl VideoprojektionIn der Videoprojektion mit einem Blatt Papier von Notburga Karl aus Bamberg ergaben der Rhythmus einer horizontalen unscharfen Linie, die im Sekundentakt auf- und wegtaucht, und die vertikal fließenden Linien eine wellenförmige Bewegung. Sie erinnerte an Momente, in denen der Raum als bewegte Fläche an einem vorbeizuziehen scheint: ein Gleiten im Raum, vergleichbar mit dem Anblick der Meeresoberfläche oder das rhythmische Falten einer Rolltreppe. Dabei geht es Notburga Karl um die Formulierung eines Verschwindens, Entgleitens und Fliehens. Der Blick ahnte die Situation einer Instabilität, wie flüchtende und asylsuchende Menschen sie erfahren.

ahland das haus4 2015Verlassene Räume sind das Thema von Nicole Ahland aus Wiesbaden. Die Räume in den Fotografien sind nicht aktiv von der Künstlerin inszeniert, auch die Zimmer in der Serie „Das Haus“ aus dem Jahr 2015 hat Nicole Ahland so vorgefunden. Ein Schreibpult mit hochgestellter Tischplatte, ein Stuhl, ein Bücherboard mit breiten Folianten und ein gerahmtes Foto - persönliche Gegenstände, die von den Bewohnern erzählen. Die deutlichen Spuren des Verfalls eröffnen eine zeitliche Dimension - das Haus steht leer. Die Aufnahmen changieren zwischen noch physisch zu erahnender Präsenz von Bewohnern und der Gewissheit der vergangenen Zeit.

Uelkue SuenguenÜlkü Süngün, die in der Türkei und in Deutschland aufgewachsen ist, nutzt Fotografie und Installation, um sich Fragen um das Thema Asyl anzunähern. Sie hat das Erleben einer georgischen Familie in der Zeit des Hoffens auf die Anerkennung zu einem vielschichtigen künstlerischen Zeugnis verarbeitet. In ihrer Arbeit „Anlatsam roman olur / Die besten Romane schreibt das Leben“ erzählt sie in einem Fotoroman still von dem Flüchtling Sergo Pipia. In der Installation „Lacrimarium Europae“ aus Regalen, von Sergo Pipia gefertigten Steinreliefs, Zweigen, Glasflakons, Dokumenten, Briefen, Fotokopien und Buntfotografien setzt die Künstlerin ein Mahnmal für das Hoffen, Kämpfen und Scheitern der Flüchtlinge. Angst vor Abschiebung  - darin offenbart sich auch das andere Gesicht Europas. Einer Europa, die angesichts solchen Leids weint und nach ihrem Tränenglas verlangt.

Maxi ObexerEine intime Klanginstallation der Berliner Künstler Hannes Hölzl und Maxi Obexer nach ihrem Buch „Wenn gefährliche Hunde lachen“ sucht tastend nach Worten für das Unerträgliche - die Geschichte einer jungen Frau auf dem steinigen Weg von Nigeria nach Europa. „I spend ma life“ (Sprecherin: Dela Dabulamanzi) ließ Helen erzählen, eine junge Frau und Journalistin aus Nigeria. Sie macht sich auf den Weg nach Europa. Dorthin, wo sie glaubt, ihren Ansprüchen an das Leben und an ihren Beruf gerecht werden zu können. Die Reise bis Tanger gestaltet sich zu einem Kampf gegen die Demütigungen, den Durst und die Resignation. In den Briefen, die sie ihrer Familie in der Heimat schreibt, beschönigt sie, was sie erlebt. Helen rückt die Wirklichkeit so zurecht, dass sie auch für sie erträglich ist, und sie holt sich ihre Würde zurück, indem sie sie schreibend wieder auferstehen lässt. So werden ihre Briefe die Berichte von einem Menschen, der sich mit Hilfe seiner Visionen am Leben hält. Um eines Tages die Welt, die sie heute noch wie eine Überflüssige behandelt, so vorzufinden, wie sie sie bis dahin noch erträumen musste.