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Foto: © Historisches Museum Basel, Philipp Emmel

Die Sedes lapidea aus St. Emmeram (sog. „Heinrichsstuhl“)

Die Sedes lapidea aus St. Emmeram in Regensburg ist einer von zwei erhaltenen figürlich verzierten mittelalterlichen Steinthronen nördlich der Alpen. Sie wird aufgrund einer legendenhaften Überlieferung häufig auch als «Heinrichsstuhl» bezeichnet. Derzeit ist die Sedes lapidea als Leihgabe der Katholischen Kirchenstiftung St. Emmeram in der Ausstellung „Gold & Ruhm“ im Historischen Museum Basel zu sehen.

Der monolithische Thron aus weißem Kalkstein wurde aus einem Quader geschaffen, der wohl von der römischen Legionslagermauer stammt. Seine Sitzfläche ruht auf zwei liegenden Löwen, die seitlich unter dem Thron auf einer Standplatte lagern und eine zentrale Stützwand flankieren. In den hinteren Ecken stützen zwei Pfosten mit ungleich hoher Abbruchkante die Sitzfläche, von denen einer die halbzylindrige Rückenlehne überragt. Die Köpfe der Löwen sind stark beschädigt, einzig Bohrlöcher weisen auf die Lage der Ohren und Lefzen hin. Auf der gut erhaltenen Oberfläche der Hälse fehlen Spuren einer Mähne, was dafür spricht, dass die Tiere nur mit Lockenkränzen versehen waren. Dadurch kommen die prall artikulierten Vorderkörper heute stark zur Geltung. Die Löwen berühren die Sitzfläche mit ihren Häuptern und zusätzlich reichte der schlangenförmig um die Hinterflanken gelegte Schwanz einst bis zur dort erhaltenen Quaste hinauf.

Der vergleichsweise schlechte Zustand des Throns dürfte einerseits auf seine Versetzung in die Krypta im ausgehenden 19. Jahrhundert und nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass er jahrhundertelang in der nördlichen Vorhalle vor dem Mittelpfeiler des um 1050/60 zu datierenden Doppelnischenportals leicht zugänglich war. Bezeugt ist der in einer Federzeichnung aus dem mittleren 18. Jahrhundert überlieferte Standort seit dem frühen 16. Jahrhundert (Johannes Aventinus: Annales ducum Bavariae, 1511, München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 967, fol. 98v). Im Jahr 1894 wurde der Steinsitz aus denkmalpflegerischen Gründen in die Wolfgangskrypta versetzt, wo er seither steht.

Es ist durchaus möglich, dass der Steinsitz zur ursprünglichen Ausstattung des Doppelnischenportals gehörte. Denkbar wäre auch, dass es sich um ein späteres Ersatzstück handelt oder dass der Sitz von einem anderen Standort, z. B. aus der einst für die Kaiserbesuche genutzten und 1250 zerstörten Torhalle, hierher versetzt wurde. Da es nur sehr wenige weltliche Herrscherstühle aus Stein gibt, liegt die Vermutung nahe, der Stuhl sei primär für den Bischof oder Abt geschaffen worden, wobei auf ihm auch weltliche Aufgaben (Sendgericht) wahrgenommen wurden. Es mag bezeichnend sein, dass die aus dem südalpinen Raum bekannten Löwenthrone des 11.–13. Jahrhunderts in der Regel Bischofsstühle waren.

Programmatisch würde der Thron gut zum Christus iudex und dem darunterliegenden Abtmedaillon am Mittelpfeiler der Portalanlage von St. Emmeram passen, was eine Datierung um 1050/60 bekräftigt. Dem Stuhl in seiner Grundform eng verwandt ist ein deutlich besser erhaltener Steinthron in der Westapsis des Doms von Augsburg. Stilistisch weist dieser in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts. Allerdings tragen die Augsburger Löwen die Sitzfläche direkt auf ihrem Rücken und sind mit Mähnen sowie menschenartigen Gesichtern ausgestattet; außerdem ist die Standplatte des Throns profiliert, sodass er insgesamt elaborierter erscheint. Denkbar wäre auch eine spätere Entstehungszeit des Regensburger Throns nach dem Brand von St. Emmeram 1166, z. B. um 1170/80 möchte man dem Vergleich mit den anthropomorphen Löwen am Schottenportal von St. Jakob in Regensburg folgen.

Es gibt keine Quellen zum ursprünglichen Auftraggeber oder Besitzer des Throns. Die seit dem 19. Jahrhundert geläufige Bezeichnung als „Heinrichsstuhl“ geht auf eine Legende zurück. Bereits der Regensburger Historiograph Johannes Aventinus nennt in seinen Annales ducum Bavariae von 1511 eine „sedes lapidea“, auf der Herzog Heinrich II. Von Bayern (gen. der Zänker, † 995), der Vater Kaiser Heinrichs II., vor der Kirche ausgeruht und gewartet habe, bis die Portale geöffnet wurden. (Peter Morsbach / Sabine Sommerer)

Regensburg, St. Emmeram, 1050/60 oder 1170/80
Monolith aus Kalkstein (Dolomit)
H 111 cm, B 78–70 cm (zur Rückseite hin verjüngend), T 62 cm